Seit Ende April ist Kevin Schubach neuer Stadtbrandinspektor von Nidda. In einem Interview spricht er über die Entwicklung des Ehren- und Hauptamtes und neue Strukturen in der Großgemeinde.
Kevin Schubach aus Nidda-Eichelsdorf ist 31 Jahre und damit wohl einer der jüngsten Stadtbrandinspektoren im Kreis. In einem Interview spricht er über die intensiven ersten Monate im Amt, das künftige Verhältnis von Hauptamt und Ehrenamt und die neue Vorgehensweise bei stadtteilübergreifenden Aufgaben.
Seit Ende April sind Sie Stadtbrandinspektor in Nidda. Wie waren die ersten Monate?
Es macht mehr Spaß, als ich gedacht hatte. Man kann sich einbringen und mitgestalten. Da ich vorher schon Stellvertreter war, wusste ich, was auf mich zukommt. Es war klar, dass eine Erwartungshaltung besteht und ein gewisser Umbruch auch gewünscht war.
Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren geändert. Es scheint, die Feuerwehr jongliert ständig zwischen Flächenbränden und drohendem Hochwasser…
Das ist so, wenn man das Spektrum mit dem von vor zehn Jahren vergleicht. Auch die rechtliche Seite beschäftigt uns im Vergleich zu früher intensiv. Nach den Erfahrungen im Ahrtal verweist das Land Hessen auf die Aufgaben und die Verantwortung der Wehren. Zudem kommen ständig neue Herausforderungen dazu. Die sind aber auch eine Chance. Die Stadt Nidda zieht da sehr gut mit, sodass wir uns gut weiterentwickeln können.
Das macht wirklich alles Spaß?
Ja. Sicherlich kommen vermutlich auch andere Zeiten. Ich beschreibe mich als Teamplayer. Wir haben 15 Stadtteilwehren, 15 Wehrführer und über 400 Aktive. Eine One-Man-Show funktioniert nicht. Wir müssen alle abholen.
War das vorher nicht so?
Im Moment bildet die Niddaer Wehr mehrere stadtteilübergreifende Arbeitsgruppen für die Themen Ausbildung, technische Einsatzleitung, digitale Anwendungen und Öffentlichkeitsarbeit. Wird künftig alles zentraler ablaufen?
Wir sind eine Niddaer Gesamtfeuerwehr und jeder Stadtteil hat seine Schwerpunkte. In der Kernstadt haben wir beispielsweise eine Standortfeuerwehr mit bis zu 100 Einsätzen im Jahr, die kleinsten Stadtteile fahren im Durchschnitt unter fünf. Somit müssen hier die unterschiedlichen Bedürfnisse gesehen werden. Auf Stadtebene möchten wir Synergien nutzen. Aus dem kompletten Stadtgebiet können sich Einsatzkräfte in einer Arbeitsgruppe, die ihnen liegt, mitarbeiten und so für die Gesamtfeuerwehr etwas bewirken. In der Ausbildung beispielsweise muss das Rad nicht immer neu erfunden werden und in der Arbeitsgruppe können spezielle Themen für das komplette Stadtgebiet behandelt und angeboten werden.
Ich würde lügen, wenn ich das mit Nein beantworten würde. Natürlich gab es sie. Doch glaube ich, dass die Bereitschaft für gemeinschaftliche Aufgaben heute größer ist, als vor zehn Jahren. Wir waren uns einig, dass wir diesen Weg nur gehen, wenn jeder Stadtteil dahintersteht und haben es den Wehrführern zur Abstimmung mitgegeben. Es wurde einstimmig verabschiedet. Es behält trotzdem jeder Standort seine Identität mit eigenen Übungen und die Möglichkeit der Wehrführer, individuell auf die Bedürfnisse ihrer Leute einzugehen.
Was wir nicht wollen, ist zentralisieren. Wir haben die Hilfsfrist, die würden wir nicht einhalten können, wenn wir nur in der Kernstadt eine Feuerwehr hätten. Das funktioniert nur mit den Stadtteilen. Wir sind froh, dass die Politik mitzieht und nicht gesagt wird, da können wir einen Stadtteil wegsparen. Das würde meiner Meinung nach am Ende noch teurer werden. Dass wir auch so handeln, sieht man an dem Beispiel von Stornfels, das abgeschlagen liegt, wo die wenigen Einwohner jedoch ihr Bestes geben, um das Maximale herauszuholen. Hier wird aktuell ein neues Feuerwehrhaus gebaut.
Ist der Technische Prüfdienst in puncto Infrastruktur beruhigt?
Wir sind gut dabei. Die bemängelten Altlasten abzubauen, ist nicht einfach. Die Anforderungen des Technischen Hilfsdienstes sind sehr hochgegriffen. Demnach müssten wir noch viel mehr Feuerwehrhäuser bauen und der Stadtsäckel wäre leer. Wenn ein Feuerwehrhaus nicht im schlechtesten Zustand, das Fahrzeug adäquat ist und sich keiner wehtut, sehe ich nicht, dass die Stadt überall einen Neubau hinstellen muss. Es ist sicherlich gut, wenn jemand darauf schaut. Mit gutem Menschenverstand und in Abstimmung mit der Stadt wird in Nidda noch einiges kommen.
Welche Bedeutung bleibt den Vereinen?
Eine relativ wichtige. Den gesetzlichen Auftrag muss die Stadt abdecken, sie muss die Fahrzeuge kaufen, ist für die Standard-Ausrüstung verantwortlich. Die Vereine unterstützen im Hintergrund, ergänzen die Ausrüstung über das gesetzliche Maß und pflegen die Kameradschaft, das Vereinsleben. Sie beteiligen sich an Festen im Ort und repräsentieren. Der Vorteil auf dem Land ist, dass fast alle aktiven Mitglieder noch in den Vereinen mitwirken. Im Ballungsraum ist das nicht so.
Kann ein Verein ohne eigenen Raum überleben?
Von den 423 Einsatzkräften ist nur ein Viertel tagsüber vor Ort. Wie geht man bei einem Hausbrand vor?
Wenn tagsüber etwas in der Kernstadt passiert, kommt beispielsweise die Wehr von Geiß-Nidda/Bad Salzhausen dazu. Tagsüber alarmieren wir in den Stadtteilen in der Regel fünf bis sechs Feuerwehren, nachts reichen bei einem Hausbrand zwei oder drei. Wir müssen auch darauf achten, dass wir die Ehrenamtlichen nicht überfordern, aber dennoch genügend Einsatzkräfte vor Ort haben.
Das Hauptamt muss das Ehrenamt entlasten. Man muss beides miteinander verzahnen. Die künftigen Aufgaben sind sehr fachspezifisch. Für einen reinen Verwaltungsmenschen im Rathaus ist das sehr schwierig. Es gibt viele Pflichtaufgaben und rechtliche Verordnungen aus dem Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz. Daher braucht es jemanden mit der spezifischen Ausbildung und dem Gefühl fürs Ehrenamt. Es ist ein Mix, den wir nach und nach hinbekommen müssen. Wir haben jetzt im fünften Jahr den hauptamtlichen Gerätewart, der die Hauptlast abfängt und mit den ehrenamtlichen Gerätewarten der Stadtteilwehren zusammenarbeitet. Das Hauptamt muss weiter wachsen, zum Beispiel für die Bereiche der Fahrzeuge oder Gebäude, sodass man in Nidda irgendwann tagsüber eine Taskforce für die Tagesalarmbereitschaft hat.
Aktuell wird der neue Bedarfs- und Entwicklungsplan von einem Planungsbüro erstellt. Kann das die Stadt nicht selbst erledigen?
Der Bedarfs- und Entwicklungsplan ist kein Wunschdenken, sondern gesetzlich vorgeschrieben. Es hat sich in der Vergangenheit so viel entwickelt und geändert, zum Beispiel durch das geplante interkommunale Gewerbegebiet in Borsdorf. In den Plan fließt alles mit rein: der Status quo, die Altersstruktur, die Trends und anderes. Er gibt auch den Stadtteilen Planungssicherheit. Man könnte ihn auch selbst erstellen anstatt extern zu vergeben. Würde das die Feuerwehr übernehmen, würde eventuell der ein oder andere sagen, die bestellen das, was sie sich wünschen. Die Stadt dagegen würde vielleicht eine Mini-Lösung wählen. Das externe Büro ist kostspielig, aber neutral.
Wie fühlen Sie sich, wenn es länger trocken bleibt oder es anfängt, stark zu regnen?
In den Sommermonaten hatten wir Tage, wo gefühlt minütlich im ganzen Wetteraukreis ein Flächenbrand gemeldet wurde. Auch aus Nidda kam die ein oder andere Alarmierung. Mein Stellvertreter Michael Riesbeck und ich fahren in der Regel nur bei größeren Bränden mit raus. In der Trockenperiode sind wir bei jedem noch so kleinen Feuer mit dabei, weil dieses schnell eskalieren könnte. Der Regen minderte die Waldbrandgefahr natürlich. Wir haben nicht nur die Einsatzhäufung, sondern müssen uns mit der Hitze auseinandersetzen, also mit anderer Kleidung, die Ausbildung anpassen, um die Einsatzkräfte zu schonen. Momentan folgt ein Extrem auf das nächste: erst Hitze mit Brandgefahr, dann mögliche Unwetter. Das heißt für uns, dass wir umdenken müssen.